Blogbeitrag zu „Populismusmehrheiten in der Demokratie – Ein Ausblick auf die US-Wahlen“
ArtikelVeranstaltungsreihe „Baustellen der Demokratie“
12. September 2024, 19:30 Uhr, Kulturhaus Royal, Baden
Blogbeitrag
Am 12. September versammelten sich rund 60 interessierte Teilnehmer*innen im Kulturhaus Royal in Baden zu einer spannenden Diskussionsrunde zum Thema «Populismusmehrheiten in der Demokratie – Ein Ausblick auf die US-Wahlen.» Die Veranstaltung bot eine tiefgründige Analyse der gegenwärtigen politischen Entwicklungen in den USA, insbesondere in Bezug auf die Radikalisierung der Republikanischen Partei und die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen vom 5. November.
Der Abend wurde von der renommierten Journalistin Annika Brockschmidt eröffnet, die in ihrem Vortrag die zunehmende Verankerung rechtsextremer Positionen innerhalb der Republikaner schilderte. Mit Verweisen auf ihr Buch «Die Brandstifter – Wie Extremisten die Republikanische Partei übernahmen» legte sie dar, wie die Partei durch den geschickten Umgang mit den strukturellen Schwächen des US-amerikanischen politischen Systems – etwa durch das Filibuster-Verfahren oder die Verzerrung durch das Electoral College – immer wieder Wahlerfolge erzielt, selbst wenn sie mit ihren extremen Positionen keine Mehrheit der Stimmen gewinnt. Brockschmidt beschrieb diese Taktiken als eine «Tyrannei der Minderheit» und stellte die zugrunde liegende Strategie klar: «Es geht nur ums Gewinnen.»
In der anschliessenden Diskussion, moderiert von Marguerite Meyer, definierten Brockschmidt und Politikwissenschaftler Prof. Marco Steenbergen von der Universität Zürich zunächst den Populismusbegriff als ein Phänomen, das auf zwei zentralen Elementen beruht: dem vehementen Angriff auf (vermeintliche) politische Eliten und der Überzeugung, dass das «Volk» direkt entscheiden sollte, statt eben jener politischen Eliten. Populistische Akteurinnen neigen dazu, sich als die Einzigen darzustellen, die wirklich wissen, was das Volk will, und stehen oft kritisch zur direkten Demokratie, obwohl sie diese vorgaukeln. Sie kreieren ein nostalgisches Bild der Vergangenheit, die angeblich von den Eliten zerstört wurde, wie etwa Donald Trump, der das «Volk» als homogene Gruppe weisser Menschen ohne Migrationshintergrund versteht und die vermeintlichen guten alten Zeiter der USA der 1950er Jahre heraufbeschwört.

Weiter erläuterten Brockschmidt und Steenbergen die historischen und sozialen Entwicklungen, die zum aktuellen Zustand der Republikanischen Partei führten. Sie zeichneten den Wandel der Partei von einer Anti-Sklaverei-Bewegung im 19. Jahrhundert hin zu einer politischen Kraft mit stark rechtsextremen Tendenzen nach, wobei insbesondere Rassismus, Religion und Geschlechterbilder eine entscheidende Rolle spielten. Dabei wurde auch der Einfluss evangelikaler Kräfte unter Ronald Reagan und zuletzt Donald Trump hervorgehoben, die durch eine Mischung aus performativer Männlichkeit und populistischer Rhetorik vor allem junge Männer aus konservativen Milieus ansprechen.
Ein zentraler Punkt der Diskussion war die strukturelle Ungleichheit im amerikanischen Wahlsystem. Themen wie das Electoral College, das Filibuster-Verfahren und Gerrymandering wurden ausführlich behandelt. Diese Mechanismen, so die beiden Expert*innen, tragen dazu bei, dass selbst eine Partei mit geringer Unterstützung durch die Gesamtbevölkerung – wie die Republikaner in den letzten Jahren – Wahlerfolge verbuchen kann. Auf die Frage ob ähnliche Entwicklungen auch in der Schweiz möglich wären, meinte Professor Steenbergen, dass die direkte Demokratie und die politische Kompromisskultur hierzulande vor amerikanischen Zuständen wohl schützen würden.
Handlungsansätze
Die Diskussion fokussierte sich auch auf die Frage, welche Lehren Europa und die Schweiz aus diesen Entwicklungen ziehen könnten. Brockschmidt betonte, dass die Antwort auf den Populismus nicht darin liege, seine Strategien zu kopieren, sondern eine klare Gegenposition einzunehmen. Sie warnte davor, populistische Forderungen salonfähig zu machen, wie es teils in Europa der Fall sei. Steenbergen ergänzte, dass echte politische Basisarbeit nötig sei, um die demokratischen Prozesse zu stärken und populistischen Tendenzen entgegenzuwirken.
Das Publikum beteiligte sich rege an der Diskussion und stellte Fragen, wie man den Populismus effektiv bekämpfen könne. Eine klare Botschaft lautete: Es bedarf langfristiger politischer Arbeit und einem offenen Dialog, insbesondere mit marginalisierten und frustrierten Bevölkerungsgruppen, um die demokratische Resilienz zu stärken. Moderatorin Marguerite Meyer fasste die Lösungsansätze treffend zusammen: «Nicht mehr Populismus, sondern politische Knochenarbeit.»
Die Veranstaltung war Teil der Bildungsreihe «Baustellen der Demokratie», die sich den aktuellen Herausforderungen demokratischer Systeme widmet. Insgesamt bot der Abend einen tiefen Einblick in die aktuellen politischen Entwicklungen in den USA und regte zur Reflexion über die Zukunft der Demokratie – nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa und der Schweiz – an. Diese Veranstaltungsreihe wird von der Stiftung Mercator Schweiz und dem Swisslosfonds des Kantons Aargau unterstützt.