Blogbeitrag zu «Globalisierte Wirtschaft – Globalisierte Verantwortung?»

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Die Online-Diskussionsveranstaltung «Globalisierte Wirtschaft – Globalisierte Verantwortung?» am 28. November 2024 brachte dringliche Herausforderungen der Schweizer internationalen Zusammenarbeit (IZA) zur Sprache.

Unter der Moderation von Renato Beck diskutierten Marianne Binder (Ständerätin, Mitte), Bernd Nilles (Fastenaktion) und Andreas Missbach (Alliance Sud) die drastischen Sparmassnahmen in der internationalen Zusammenarbeit und deren weitreichende Konsequenzen. Im Fokus stand der Zielkonflikt zwischen Solidarität mit der Ukraine und der Unterstützung des globalen Südens.

Die Umverteilung von netto 13 Prozent der Mittel für die Internationale Zusammenarbeit zugunsten der Ukrainehilfe setzt NGOs massiv unter Druck. Ein Viertel der ursprünglich für den globalen Süden vorgesehenen Gelder fällt weg. Andreas Missbach von Alliance Sud schildert die materiellen Folgen dieser Sparpolitik: So könnten etwa120’000 von Armut betroffene Kinder ihre Schulbildung verlieren, und 910’000 Menschen wären weniger gut auf den Klimawandel vorbereitet. Bernd Nilles machte darauf aufmerksam, dass solche Einschnitte gerade in instabilen Regionen verheerende Auswirkungen haben, da sie bestehende Belastungen durch Klimawandel und politische Unsicherheit verschärfen. Die Fastenaktion musste sich bereits aus Projekten in Ländern wie Laos zurückziehen, was Millionen von Menschen im globalen Süden ihrer Unterstützung beraubt.

Die Diskussion offenbarte ein mangelndes Bewusstsein in der Politik für die Bedeutung und die Arbeitsweise der Entwicklungszusammenarbeit. Andreas Missbach kritisierte, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier oft zu wenig über die Effizienz und die strategische Relevanz der internationalen Zusammenarbeit wissen. Zudem habe Aussenminister Ignazio Cassis die internationale Zusammenarbeit in seiner Amtsführung nur unzureichend verteidigt, was sowohl Bernd Nilles als auch Missbach bemängelten. Marianne Binder zeigte sich irritiert über die Vermischung von Ukrainehilfe und dem Budget der Entwicklungshilfe und plädierte dafür, die Schuldenbremse flexibel anzupassen, um Kürzungen zu verhindern. Sie verwies zudem auf eine allgemeine Entsolidarisierung und Polarisierung in der Politik, die ihrer Ansicht nach eine Rückbesinnung auf Schweizer Werte wie Konkordanz und internationale Solidarität erfordert.

Die Diskussionsteilnehmenden brachten mehrere Lösungsansätze ein, um die Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe zu stärken. Ein zentraler Punkt war die Notwendigkeit, das Verständnis und die Wertschätzung der internationalen Zusammenarbeit im Parlament zu fördern. Dafür brauche es mehr Unterstützung von der Departementsleitung. Ignazio Cassis als Aussenminister müsse sich stärker dafür einsetzen, die Wichtigkeit der Entwicklungszusammenarbeit hervorzuheben und sich entschieden gegen Budgetkürzungen wehren. Gleichzeitig sei es für NGOs und Entwicklungsorganisationen essenziell, ausreichend Budget für Bildungs- und Kommunikationsarbeit in der breiten Bevölkerung zu erhalten. Diese Arbeit sei nicht nur zentral, um das Verständnis für globale Solidarität zu fördern, sondern auch, um das Fundraising und die langfristige Finanzierbarkeit sicherzustellen.

Die Veranstaltung machte deutlich, dass die Schweizer Internationale Zusammenarbeit an einem kritischen Punkt steht. Um die globale Verantwortung glaubwürdig wahrzunehmen, braucht es eine Politik, die Solidarität nicht gegeneinander ausspielt, sondern Synergien zwischen Ukrainehilfe und Unterstützung des globalen Südens sucht. Die aktuellen Sparmassnahmen drohen nicht nur Millionen von Menschen im Süden schwer zu belasten, sondern könnten auch die Glaubwürdigkeit und Stabilität der Schweiz auf internationaler Ebene gefährden.

Die Veranstaltung «Globalisierte Wirtschaft – Globalisierte Verantwortung?» war Teil der Reihe «Baustellen der Demokratie», einer Veranstaltungsreihe, die sich den aktuellen Herausforderungen demokratischer Systeme widmet. Unterstützt wird die Veranstaltungsreihe von der Stiftung Mercator Schweiz und dem Swisslos-Fonds des Kantons Aargau.