Blogbeitrag zu „Die Europawahlen und die Auswirkungen auf die Schweizer Demokratie“
ArtikelVeranstaltungsreihe „Baustellen der Demokratie“
5. November 2024, 18:30 Uhr, Zentrum für Demokratie, Aarau
Blogbeitrag
Am 5. November 2024 fand im Zentrum für Demokratie in Aarau ein spannender Diskussionsabend über die kürzlich abgehaltenen Europawahlen und deren Bedeutung für die Schweiz statt. Nach einem einführenden Referat von Prof. Dr. Stefanie Walter diskutierten Expert*innen auf dem Podium die möglichen Auswirkungen der neuen politischen Kräfteverhältnisse im EU-Parlament. An der Debatte nahmen neben Prof. Walter auch Beat Flach (Nationalrat GLP, Aargau) und der deutsche Botschafter Michael Flügger teil. Moderiert wurde das Gespräch von Matthias Strasser vom SRF.
Im Inputreferat von Prof. Stefanie Walter standen die Ergebnisse der Europawahlen und deren mögliche Auswirkungen auf die Schweiz im Mittelpunkt. Prof. Walter zeigte auf, dass, nationalistische und euroskeptische Parteien zwar Erfolge verbuchten, deren Gewinne aber weniger hoch ausfielen als im Vorfeld befürchtet. Weiter erklärte Prof. Walter, dass Effektivität einer euroskeptischen Koalition durch nationale Unterschiede und Interessenskonflikte eingeschränkt bleiben könnte. Für die Schweiz könnten die neuen Kräfteverhältnisse dennoch bedeuten, dass die EU künftig weniger bereit ist, den bilateralen Weg ohne Anpassungen zu unterstützen.

Die anschliessende Diskussion befasste sich mit der Zukunft der bilateralen Abkommen. Die Beziehungen zur EU sind seit dem Abbruch des institutionellen Rahmenabkommens 2021 belastet. GLP-Nationalrat und EU-Politiker Beat Flach und Botschafter Michael Flügger betonten, dass die Schweiz in den laufenden Verhandlungen aktiv mitwirken müsse, um ihre Position in Europa zu sichern. In der Schweiz selbst bleibe die Personenfreizügigkeit ein polarisierendes Thema. Das bilaterale Modell scheint in der Bevölkerung nach wie vor Unterstützung zu finden, aber die politischen Parteien sind zunehmend gespalten, auch weil Euroskepsis inzwischen sowohl von rechten als auch linken Gruppierungen geäussert wird.
Ein zentrales Thema war das sogenannte „Accommodation Dilemma“ der EU: Sie steht vor der Herausforderung, die Zusammenarbeit mit der Schweiz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig keinen Präzedenzfall zu schaffen. Dies könnte euroskeptische Kräfte in anderen Ländern ermutigen, ähnliche Modelle zu fordern, was die Stabilität der EU gefährden könnte. Botschafter Flügger verwies darauf, dass es für die EU schwierig sei, weitere Sonderregelungen zu akzeptieren, ohne dass dies in Brüssel und anderen EU-Staaten als Schwäche wahrgenommen wird.

Die Diskussion berührte auch die innenpolitischen Auswirkungen der EU-Wahlen für die Schweiz. Beat Flach wies darauf hin, dass die wachsende Polarisierung die Verhandlungen erschweren könnte. Prof. Walter fügte hinzu, dass die veränderten Kräfteverhältnisse dazu führen könnten, dass Zugeständnisse an die Schweiz schwieriger zu erreichen sind.
Abschliessend waren sich die Teilnehmenden einig, dass eine klare und verständliche Kommunikation nötig ist, die die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Vorteile der Zusammenarbeit betont. Ein solches Framing könnte dazu beitragen, die breite Unterstützung für den bilateralen Weg zu sichern und das Bewusstsein für die Bedeutung einer konstruktiven Partnerschaft mit der EU zu stärken.
Die Veranstaltung war Teil der Reihe «Baustellen der Demokratie», die sich den aktuellen Herausforderungen demokratischer Systeme widmet. Unterstützt wird die Veranstaltungsreihe von der Stiftung Mercator Schweiz und dem Swisslos-Fonds des Kantons Aargau.